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von Patrick Manzecchi, 30.11.2016

Ein Schweizer in New York

Ein Schweizer in New York
So sieht es aus: Plattencover von Niculin Janetts neuem Album. Vorgestellt wird die Scheibe am 2. Dezember im Theaterhaus Thurgau in Weinfelden. | © Niculin Janett

„No Parking Any Time" heißt Niculin Janetts neuste Produktion. Die von Janett verfassten Liner Notes besagen, dass er, seines Zeichens Schweizer, fasziniert ist von der Geschäftigkeit Manhattans. Am 2. Dezember wird das Album live in Weinfelden vorgestellt

Von Patrick Manzecchi

Manhattan war Janetts Lebensmittelpunkt im Jahre 2015. Für die Kulturstiftung des Kantons durfte er einige Zeit mit einem Atelierstipendium dort verbringen. In dieser Zeit wurde auch die nun vorliegende CD aufgenommen und produziert für das deutsche Label QFTF. Die Dynamik und vorwärtstreibende Rastlosigkeit dieses Stadtteils von New York, einer Stadt die niemals schläft und in der es so wenig Parkplätze gibt, liefert eine Steilvorlage - nicht nur gedanklich, auch musikalisch. Zum aufstrebenden Altsaxophonisten gesellt sich denn auch eine New Yorker Koryphäe, der Tenorsaxophonist Rich Perry.

Aus Deutschland angereist, hören wir Lisa Hoppe am Kontrabass, und am Schlagzeug sitzt der Chilene Rodrigo Recabarren, den Janett auf einer Jam Session traf. Und obwohl Janett uns eine Rush Hour der Begegnungen präsentiert, kann eine CD nicht zärtlicher, nicht gefühlvoller beginnen. „Body And Soul" heißt der wohlbekannte Standard aus den 1930er Jahren, den er solistisch anklingen lässt, bevor es – bildlich gesprochen - ins eigentliche Thema geht: Körper und Seele im Herzen New Yorks. Ganz ehrlich, großartig! Selbstversändlich auch und gerade im Zusammenspiel.

So klingt das neue Album von Niculin Janett. 

Dass die Band dabei ohne Harmonieinstrument auskommt, spricht für sich, kann dies bekanntlich rasch zu einem wackeligen Experiment werden. Dies kann man Hoppes harmonischer Approach zuschreiben, aber nicht zuletzt auch ihrem souveränen Rhythmusgefühl. So kommt beispielsweise die nächste Komposition von Hoppe mit dem Titel „Alternative End" im binären 5/4-Takt leichtfüßig und verspielt daher. Dass ihre Schreibe selbstverständlich Tiefe und Sentimentalität voraussetzt, wird in ihrer Ballade „The Importance Of Being Idle, Part Two" besonders deutlich.

Janett spielt ungemein reif für sein noch junges Alter

Janetts Kompositionen, im Ganzen vier, sind ebenfalls voller Aussagekraft und scheinen der Band auf den Leib geschnitten zu sein, so sehr überzeugt die Umsetzung. Das liegt einmal an den starken Themen, aber eben auch an den Fähigkeiten der Akteure selbst. So ist ein deutlicher Bop-Einfluss hörbar in der Calypso-Nummer „30 Orchard Street", einer Strasse in Lower East Side. Auch erinnern die Unisono-Linien an Tristanos Schule, was nicht die schlechteste Referenz ist. „Purcell's Revenge" besticht durch seine elegische Färbung. Alle Beteiligten schaffen es, darin Raum zu schaffen und ihn zu nutzen. Janett spielt ungemein reif für sein noch junges Alter, einem Hayden Chisholm ist er bereits jetzt auf der Spur.

Und Rich Perry ist Rich Perry, ein ganz Großer. Zudem ist ihm gutzuschreiben, dass er sich ideal einbringt in dieses Quartett. Nie dominiert er. Vielmehr scheint er Janett und sein Begleittrio in höchstem Maße zu beflügeln. So spielt Schlagzeuger Rebacarren - man freut sich über seinen hellen, crispen Sound à la Jochen Rückert – nicht nur ein spannendes Übergangssolo von „Hypocrisy" zu „Exclamation", sondern stets geschmackvoll und aufmerksam. „I'll Be Seeing You", ein weiterer Song aus den 30ern, markiert den Schlusspunkt einer wunderbar gelungenen CD, die zudem auch als LP erhältlich ist. Der Titel ist Programm: „I'll be seeing you in all the old familiar places" besagen die Original Lyrics. Dort wo der Modern Jazz einst entstand, zwischen Broadway und der Lower East Side, und woher Niculin Janett seine Inspiration bezieht. Es geht ihm gut, dem Jazz. Und steht ihm gut, dem Schweizer Musiker in New York.

Hinweis: Niculin Janett ist nicht nur ein hervorragender Musiker, sondern auch Autor von thurgaukultur. Seine Texte finden Sie hier. Zuletzt hat er unter anderem von dem Jazzfestival "Generations" für thurgaukultur.ch berichtet

 

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