von Zora Debrunner, 26.02.2018
Mit Satire und Chopin gegen No-Billag
Das beliebte Polit-Kabarett «Ergötzliches» stand am Wochenende ganz im Zeichen der kommenden No-Billag-Abstimmung. Mit Gesprächsgast Rudolf Matter (SRF) blieb der Abend etwas zahm, aber durchwegs gelungen.
Von Zora Debrunner
Das Theaterhaus Thurgau in Weinfelden war bereits eine Stunde vor Türöffnung gerammelt voll. Thomas Götz, Daniel Felix und ihr Team haben sich über die Jahre einen Ruf erarbeitet, der das politisch-interessierte Publikum im Thurgau zu locken weiss. Das Programm an diesem Samstagabend versprach viel und schraubte die Erwartungen hoch. Alt-Nationalrat Hermann Hess soll Chopin spielen? Und gut eine Woche vor der Abstimmung zur No-Billag-Initiative lädt die «Bühni Wyfelde» SRF-Direktor Rudolf Matter ein? Ganz ausschöpfen konnte der Abend das Potential nicht, so viel sei vorweggenommen. Aber beste Kabarett-Unterhaltung durften die Gäste dennoch geniessen.
Hessliches is beautiful
Der Abend beginnt überraschend mit Werbung. Im Einspieler, wie immer gedreht von Daniel Felix, ist Hermann Hess zu sehen, wie er eine dicke Zigarre raucht und mit dunkler Sonnenbrille eine Parodie des legendären TV-Spots der Fischer Bettwarenfabrikzum Besten gibt. Statt Decken und Kissen bewirbt Hess Investitionen, statt am Zürichsee «zwischen Bodensee und Thur». Und: Er hat Ergötzliches übernommen. «Vertrauen ist gut – Hessliches is beautiful.» Wir sind gespannt; Immobilien, Schifffahrt und nun auch noch Showbusiness? Der Hess, der hat’s wirklich drauf, wird manch einer der Zuschauer gewitzelt haben.
Alt-Nationalrat Hermann Hess (links) überzeugte am Flügel und als Komödiant. Bild: Sascha Erni
Dann setzt sich Thomas Götz an den Flügel. Das klassische Klavierkonzert von Tchaikowsky mündet in ein liebliches «Oh Thurgau du Heimat». Den ganzen Abend über wird dann Hermann Hess Stücke von Chopin spielen. Nach der Aufführung werden nicht wenige Gäste sagen, sie hätten gar nicht gewusst, dass der Herr Hess so gut Klavier spielen kann. Andere werden raunen, wäre er doch gar nicht erst nach Bern gefahren, um dort sein Talent zu vergeuden. Wir denken uns: Sein Unterhaltungswert ist am Weinfelder Flügel jedenfalls grösser als im Nationalratssaal zu Bern.
Im Verlauf des Abend zeigt sich dann, dass der Werbespot nicht nur der Hess’schen Selbstironie dient, sozusagen als Einführung zu seinem musikalischen Rahmenprogramm. Immer wieder wird die Aufführung mit Werbung unterbrochen. Alle Spots folgen demselben Schema: Thurgauer Unternehmer stellen ihre Firmen im Stile der Fischer-Bettwaren-Werbung vor. Die Spots sind unterschiedlich genug, dass sich die Zuschauer nicht langweilen, aber auch so repetitiv, dass die hintergründige Aussage schnell deutlich wird. Sollte No-Billag angenommen werden, gäbe es mehr Werbung. Und selbst diese würde zum billig-produzierten Einheitsbrei. Der Trick ist wenig subtil, aber effektiv, wie man dem Lachen und Getuschel der Zuschauer entnehmen kann. Daniel Felix hat hier grossartige Arbeit geleistet und bei aller Repetition jedem Unternehmen doch eine eigene, witzige Stimme gegeben.
Ein Nein für die Kühe
Als Hess eine Auftragskomposition für die SRG ankündigt und Götz erwidert: «Oh je, SRG», nimmt dies das Publikum freudig auf. Endlich wird es konkret! Es folgen weitere Einspieler, als satirische Illustration dessen, was uns nach einer Annahme der Initiative blühen könnte. Der Wetterbericht zum Beispiel gleich in dreifacher Ausführung, nebst dem «Fenaco-Wetter» auch als Tarot-Wetter mit Thomas Götz als herrlich-skurrilem Mike Shiva-Verschnitt. Am meisten überzeugt der Wetterbericht der Pharmalobby, inklusive Viagra- und Nasentropfen-Empfehlungen für die kalte Jahreszeit, und auch «Ritalin Adult» darf, passend zur beginnenden Frühlingssession, für die Region Bern nicht fehlen.
Neben Napoleon und dem Narr war dieses Mal auch wieder Nationalrat Schnyder (Thomas Götz) mit von der Partie. Bild: Sascha Erni
Oder dann wäre da der Auftritt des Bauern Franz Peterli (Thomas Götz), der das Publikum darüber aufklärt, dass die Billag nichts anderes als Subventionen für die SRG sei. Und mit Subventionen kenne er sich aus, aber dass hier SVP und Landwirtschaftskammer unterschiedliche Meinungen vertreten sei für ihn etwas verwirrend. Denn seine Billag-Rechnung entspreche 7300 Liter Milch, also sehr viel Käse. Ob jetzt aus seinem Stall oder aus dem Leutschenbach Käse herauskäme sei doch dasselbe.
Die Sketches und Einspieler kommen beim Publikum gut an, alle lachen herzlich. Als einzige Nummer schert Götz’ Figur Sabine Schnyder aus dem No-Billag-Thema aus. Sie regt sich als SP-Frau lieber über den #metoo-Hashtag («Hashtag? Häschtäg? Häsch d’Tääg?») auf und schlägt als Alternative #whynotme vor. Dass sie sich lauthals darüber beklagt, dass sie selber nie einem dieser übergriffigen Männer begegnet, irritierte.
Wenig Kritik für die SRG
An den Abenden zuvor waren Ständeratspräsidentin Karin Keller-Sutter und SRF-Bundeshausredaktor Hanspeter Trütsch als Gesprächsgäste geladen. Für Samstag konnte Daniel Felix seinen Kollegen und SRF-Direktor Rudolf Matter gewinnen. Viel Neues erfährt man als Zuschauer jedoch nicht; Thomas Götz hält sich (leider) mit bissigen Kommentaren oder hartnäckigen Fragen zurück. Das Interview ist dann auch weniger ein sachliches Gespräch als ein Kaffeeklatsch unter Gleichgesinnten – kaum überraschend, hat Thomas Götz doch immerhin den ganzen Abend über aus seiner Abneigung gegen die No-Billag-Initiative keinen Hehl gemacht. Aber auch wenn man kein knallhartes Interview erwarten kann, muss man sagen: Götz fasst Matter zu wenig (hart?) an. Angesprochen auf die Arroganz mancher SRF-Mitarbeitenden etwa spricht Matter fast durchgängig von «vielleicht etwas sehr viel Selbstvertrauen» und illustriert so unfreiwillig den Punkt der mangelnden Selbstreflektion, den die Befürworter der No-Billag-Initiative die letzten Monate immer wieder eingebracht haben. Götz, eben in seinen Rollen noch hintergründig-böse, lässt es ihm durchgehen. Es wird dem Herrn Matter im Theaterhaus Thurgau wohl bestens gefallen haben.
Alt-Nationalrat Hermann Hess (links) überzeugte auch als Komödiant. Bild: Sascha Erni
So wenig ergiebig das Interview verlief, so gut passte es zum Abend. Eine Woche vor einer Abstimmung überzeugt man niemanden mehr von einer anderen Position, besonders kein so politisch-interessiertes Publikum, wie es «Ergötzliches» nun mal anzieht. Das weiss auch das Team um Thomas Götz und Daniel Felix. Sie konnten sich also auf den satirischen Kommentar beschränken und die Diskussion aussen vor lassen. Dass dieser Kommentar einseitig Kontra-No-Billag ausgefallen ist hat wohl niemanden überrascht – ein Kommentar darf selbstverständlich einseitig sein. Aber da die Meinungen eh schon gemacht sind, wozu die Vorsicht? Man hätte durchaus auch der eigenen Seite öfters mal den Satire-Hammer überziehen dürfen. Gewitzt und unterhaltend war der Abend aber so oder so. Wie es beim Apéro nach der Vorstellung ein dem Libertarismus zugewandter Zuschauer zusammenfasste: «Die Position des Teams war sehr offensichtlich und wenig überraschend. Aber lustig ist’s gewesen!”
Weitere Termine: Die Aufführungen von "Ergötzliches" im April: https://www.thurgaukultur.ch/agenda/24997
Video: Eindrücke vom Abend
Pflichttermin für Thurgauer Kabarett-Liebhaber: Ergötzliches der Bühni Wyfelde im Theaterhaus Thurgau. Bild: Sascha Erni
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