von Inka Grabowsky, 24.01.2017
Ihr Schlösschen
Yvonne Istas, die bisher für das Stockacher Stadtmuseum verantwortlich war, ist die erste bezahlte Leiterin des Kreuzlinger Museums Rosenegg. Viel ändern soll sich dadurch aber nicht.
Von Inka Grabowsky
Erste Erfahrungen mit dem neuen Umfeld hat sie schon gemacht, auch wenn Yvonne Istas erst ab 1. Juli offiziell in Amt und Würden ist. Eigentlich war die Stelle nämlich zum 1. Januar ausgeschrieben und das Berufungsverfahren rechtzeitig zu Ende, doch die direkte Demokratie an der zukünftigen Wirkungsstätte sorgte für Verzögerungen. „Ich konnte meine alte Stelle ja erst kündigen, nachdem das Stimmvolk Ende November der Museumsfinanzierung zugestimmt hatte", erklärt die promovierte Kunsthistorikerin. „Und ich habe eine recht lange Kündigungsfrist."
Trotzdem ist sie schon jetzt immer mal wieder im Museum Rosenegg. Ihre Vorgängerin Heidi Hofstetter bezieht sie in aktuelle Entscheidungen ein. „Es gilt das Motto ‚Nach der Ausstellung ist vor der Ausstellung'. Deshalb bin ich schon jetzt in Planungen involviert." Dieses Vorgehen wird dazu beitragen, dass die Arbeit in der Rosenegg kontinuierlich weiterläuft, obwohl theoretisch ein Quantensprung ansteht: Zum erstem Mal wird das Museum von einem Profi geführt, der dafür bezahlt wird. In Hinblick auf die allgemein hoch gelobte Arbeit von Heidi Hofstetter betont Istas: „Es war aber vorher auch professionell geführt – nur eben unentgeltlich."
Gegenseitiger Respekt der Museumsleiterinnen
„Frau Hofstetter hat hervorragende Arbeit geleistet, deshalb gibt es nun bestimmt keine Kehrtwende. Das laufende Konzept wird nur gegebenenfalls ergänzt." Istas möchte beispielsweise die Verwertung des Wissens verbessern, das jeweils in der Vorbereitung einer Ausstellung gesammelt wird. „Ich würde gerne Kataloge herausgeben – allerdings ist das sehr zeitaufwändig. Vielleicht könnte man sich auch eine Vortragsreihe zu geschichtlichen Themen vorstellen." Besonderen Wert will sie auf die Museumspädagogik legen. Wenn man Führungen anbiete, sei der Andrang grösser. „Das Haus ist gross genug, um Führungen zu unterschiedlichsten Themen anzubieten. Ich habe das immer gerne gemacht. Man bekommt Kontakt zu den Besuchern und damit Feedback für die eigene Arbeit. Ausserdem lernt man immer etwas dazu. In jeder Gruppe gibt es jemanden, der Expertenwissen zu bestimmten Themen hat."
Yvonne Istas mag den renovierten Altbau besonders gern: „Hier spürt man noch die früheren Bewohner." Bild: Inka Grabowsky
Es gibt viele Gründe, warum die Stiftung Rosenegg sie unter den siebzig Bewerbern ausgewählt hat. Selbst hält Yvonne Istas ihr Beziehungsnetzwerk für einen grossen Vorteil: „Nach 16 Jahren in Stockach bin ich in der Region gut vernetzt. Auch die Rosenegg war mir schon lange durch die Arbeit im Vorstand des Vereins ‚Museen und Schlösser Euregio Bodensee' ein Begriff. Die Museen in Stockach und Kreuzlingen haben in der Vergangenheit bei zwei Ausstellungen zusammengearbeitet. Man kennt sich also – die Zollformalitäten werden dadurch allerdings nicht leichter." Umgekehrt hat auch das Kreuzlinger Museum für die vielseitig interessierte Kunsthistorikerin einzigartige Vorteile zu bieten: „Für mich besonders reizvoll ist der Wechsel zwischen Kunst- und historischen Ausstellungen. In Stockach hatte ich keine Gelegenheit mit zeitgenössischen Künstlern zusammenzuarbeiten."
Das verschachtelte Gebäude hat sie zusätzlich bezaubert – wenngleich es für die Besucherführung eine Herausforderung darstellt. „Unseren Aufsichtskräften kommt deshalb als Gastgeber eine wichtige Rolle zu. Ich hoffe, sie halten dem Museum die Treue." Die ehrenamtlichen Helfer, bei denen viel Motivation spürbar sei, seien trotz der Professionalisierung unverzichtbar. Zusätzlich zum praktischen Nutzen sorgen sie für eine Verankerung des Museums in der Bevölkerung. „Unser Museum" sollten die Kreuzlinger bei der Rosenegg denken: „Ich neige allerdings dazu, mich mit meiner Arbeitsstelle zu identifizieren und schnell einmal ‚mein Museum' zu sagen." ‚Mein Schlösschen' nennt sie es mit Blick auf die barocke Pracht im Vorderhaus. „Den Stucksaal mit literarischen und musikalischen Events zu bespielen, reizt mich zusätzlich. Ich bin ein Fan der Barockmusik – die würde hier besonders gut herpassen." Selbst singen wird sie aber nicht, trotz einer Ausbildung zur Sängerin an Konservatorium in jungen Jahren. „Ich singe im Chor. Die Atemtechnik von früher nützt mir jetzt vor allem bei Vorträgen."
Die neue Museumschefin ist überzeugte Bodensee-Anwohnerin
Noch wohnt Istas in Überlingen, plant aber einen Umzug nach Kreuzlingen. „Die andere Führungskultur in der Schweiz ist mir nicht unsympathisch. Es ist gut, wenn alles etwas weniger hierarchisch geordnet ist. Und mit der Sprache habe ich auch keine Probleme, Mundart ist für mich ein besonderer kultureller Wert." Hauptsache ist es für sie, am Wasser bleiben zu können. „Obwohl ich in der Nähe von Frankfurt gross geworden bin, liebe ich die Weite des Sees. In den Bergen habe ich etwas Höhenangst." Schwimmen und Segeln gehören zu ihren Hobbies. „Ich bin eigentliche eine treue Seele, deshalb habe ich auch nicht gezielt nach einer Alternative zu meiner Stelle am Stadtmuseum Stockach gesucht. Aber als mir Heidi Hofstetter bei einem Treffen unter Kollegen sagte, dass ihre Stelle ausgeschrieben wird, habe ich nicht lange gezögert." Die 52-Jährige plant nun langfristig. Wenn es nach ihr geht, wird sie bis zu ihrer Pensionierung in Kreuzlingen bleiben.
Von Inka Grabowsky
Weitere Beiträge von Inka Grabowsky
- Kunst im Kreisel (26.01.2023)
- Ein neues Kapitel (31.12.2022)
- Dem Mythos auf der Spur (23.10.2018)
- Der nette Nachbar (01.10.2018)
- Wenn Buchhelden lebendig werden (01.10.2018)
Kommt vor in diesen Ressorts
- Kunst
Kommt vor in diesen Interessen
- Porträt
Ähnliche Beiträge
Ein schipperndes Herz
Rachel Lumsden ist seit Jahren eine der gefragtesten Künstlerinnen der Ostschweiz. Was macht ihre Arbeit aus? Eine Spurensuche in ihrem Arboner Atelier. mehr
Die Blickesammlerin
Am 12. September erhält Judit Villiger im Frauenfelder Eisenwerk den Thurgauer Kulturpreis. Ein Garten und ein Haus nehmen in ihrem aktuellen Schaffen zentralen Raum ein. mehr
Der Entdecker der Langsamkeit
Othmar Eder ist ein geduldiger Beobachter und klarer Denker: Mit einer neuen Monographie und einer neuen Ausstellung erfährt sein vielfältiges Werk die verdiente Aufmerksamkeit mehr