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von Brigitte Elsner-Heller, 14.08.2018

Es war einmal ein Märchen

Es war einmal ein Märchen
Vom schlechten Gewissen geplagt: die Geiss „Mäh“ (geführt von Jan Opderbeck). | © Brigitte Elsner-Heller

„In einem Märchen kann so viel passieren!“ Nun, da hat Fräulein Dorothee, die Erzählerin, durchaus recht – und sie weiß, dass sie die jungen Märchenfreunde ein wenig an die Hand nehmen muss, wenn es im Innenhof des Wasserschlosses Hagenwil heißt: „Tischlein deck dich“.

Doris Haudenschild ist für den roten Faden verantwortlich und schliesst in ihrer Rolle als Erzählerin auch die Lücken, die auf der klitzekleinen Bühne gelassen werden oder gelassen werden müssen. Drei Personen (neben Doris Haudenschild auch Falk Döhler und Jan Opderbeck) bringen für Kinder ab dem Kindergartenalter immerhin eine Geschichte auf die Bühne, in der es eine ganze Reihe von Personen und auch Tieren gibt. Da gilt es, die Übersicht zu wahren und mancher schlimmen Begebenheit, die im Märchen erzählt wird, die Spitze zu nehmen. Was soll man denn auch davon halten, dass ein Vater seine drei Söhne aus dem Haus jagt, nur weil er ihnen nicht glaubt? Und dass genau diese Söhne ihr Glück dann in der Welt suchen, um den Vater wieder milde zu stimmen und um in ihr Zuhause zurückkehren zu dürfen?

Eine vergessliche Ziege

Die Geschichte, wenn es denn schon ein Märchen auf der Bühne sein soll, muss also heute sicher etwas anders erzählt werden als bei den Brüdern Grimm, die sie vor etwa 200 Jahren aufgeschrieben haben. Und so startet sie nach einer Einleitung durch die Märchenerzählerin Dorothee mit einem Blick auf die Ziege, die durch ihre „Falschaussage“ das Drama der Vertreibung  auslöst. In der Hagenwiler Variante (Text und Regie: Rahel Roy und Florian Rexer) ist sie keinesfalls bösartig, sondern nur furchtbar vergesslich. Im ersten Bild taucht die Geiss nun also als liebenswertes Geschöpf „Mäh“ auf, das von Jan Opderbeck als Handpuppe geführt wird. Dass sie einfach nur vergessen hat, dass sie ordentlich gefressen hatte, mag man ihr nachsehen. Und sie schämt sich auch ordentlich dafür, dass der Vater nun glaubt, seine Söhne hätten die Ziege nicht verantwortungsvoll gehütet. Gut, dass dieser Vater erst ganz am Ende kurz auf der Bühne auftauchen wird – denn was soll man ihm schon zugute halten? „Stellt euch das mal vor!“, muss dann auch Fräulein Dorothee einwerfen, als klar ist, dass der Vater alle Söhne davongejagt hat.

 

„Stellt euch das mal vor!“

Fräulein Dorothee (Doris Haudenschild) ist die Erzählerin.

 

Große Welt auf kleiner Bühne

Simon, Elias und Jakob (Falk Döhler und Jan Opderbeck in rasant wechselnden Rollen) sind also in eine Welt gezogen, für die auf der Bühne des Wasserschlosses wenige Quadratmeter und einige Requisiten reichen müssen. Unterschiedliche „Bühnenbilder“ sind grösstenteils reduziert auf Bilder, die je nach Situation umgehängt werden. Simon erlernt sein Handwerk bei einem Tischler, der ihn mit dem berühmten Tischlein belohnt, dass völlig eigenständig die besten Speisen herbeizaubert. Dem lustigen und aufgeweckten Elias geht es ähnlich beim Müller, bei dem er lernt. Sein Verdienst wird mit einem Esel anerkannt, der Goldstücke von sich gibt.

Erstaunen bei Simon (Jan Opderbeck): Wie kommt das Essen so plötzlich auf den Tisch?

Ein wahres Goldstück: Jan Opderbeck im Eselskostüm.


Doch: Wie gewonnen, so zerronnen. Und das liegt in beiden Fällen an der bösen Wirtin (Doris Haudenschild), die den beiden jeweils ihre Schätze abluchst.


Die beiden hecken etwas aus: Die Wirtin (Doris Haudenschild) und ihr Handlanger Igor (Falk Döhler). 

Ende gut, alles gut

Während diese Geschichten noch ausführlich erzählt werden, fasst man in Hagenwil den guten Schluss doch schneller zusammen. Das mag daran liegen, dass sich mit einem Tischlein und einem Goldesel nettere Bilder erzeugen lassen als mit einem Knüppel in einem Sack – von der „Moral“ einer derart handfesten Selbstjustiz ganz zu schweigen. Eine lustige Note ist immerhin eingebaut, indem alle Kinder „Knüppel aus dem Sack!“ rufen dürfen, wobei Jakob, dem jüngsten Sohn, zunächst ein kleiner taktischer Fehler unterläuft: „Hab ich mich doch glatt selber vermöbelt!“ Dass alles am Ende gut ausgeht, versteht sich von selbst.

Ganz schön aufregend

Falk Döhler, Doris Haudenschild und Jan Opderbeck schaffen es mit bewundernswerter Geschwindigkeit, sich durch den Wechsel ihrer Kostüme in andere Gestalten zu verwandeln, wobei den Kindern bei der Premiere am meisten Freude bereitete, dass der Esel „echte“ Goldtaler fallen ließ. Ein „Ich habe Angst“ aus der ersten Reihe der Zuschauer zeugt zudem davon, dass für die Kleinen die Spannung schon gross werden kann, wenn etwa die Wirtin mit Hilfe eines Kumpanen versucht, das Tischlein heimlich zu entwenden. Eine uneingeschränkt freundliche Geste dagegen gegenüber dem armen vergesslichen Geißlein, das doch herzallerliebst daher kommt. Und der Vater? Vergessen wir ihn einfach und freuen uns darüber, dass die Brüder zusammengehalten haben!

Und dann?

Laut Anküdigung im Programmheft ist für die Sommerfestspiele 2019 wieder eine Märchenaufführung für die Kleinen vorgesehen. Dann soll es um Aschenputtel gehen, also um die Mär vom guten Prinzen, der alles wieder gut macht. Aber wollen wir das wirklich noch glauben? Ist die Zeit des Mutmach-Theaters wirklich schon so lange vorbei? Da müsste dann schon einiges mehr umgeschrieben werden.

Zur Premiere zeigt sich das Märchenschloss bei märchenhaftem Wetter.
(Alle Bilder: Brigitte Elsner-Heller)

www.schlossfestspiele-hagenwil.ch

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