von Philipp Bürkler, 16.01.2018
Warum ein Thurgauer Songs für Depeche Mode komponiert
Der Thurgauer Kurt Uenala komponiert Songs für die britische Band Depeche Mode. Kürzlich hat der Aadorfer sein erstes eigenes Album veröffentlicht auf dem Depeche Mode-Sänger Dave Gahan einen Song zum Besten gibt.
Von Philipp Bürkler
«Mein Kinderzimmer ist wie eine Zeitkapsel», sagt Kurt Uenala. Immer, wenn er die Schweiz besucht, kehrt er nach Aadorf zurück und lebt einige Tage im Haus bei seiner Mutter. Der Geruch und die Geräusche des Elternhauses erinnerten ihn jeweils an seine Kindheit. «Ich bin heute fast mehr mit Aadorf verbunden, als ich noch hier gelebt habe», sagt Uenala, dessen Mutter eine Schweizerin ist, sein Vater stammt aus der Türkei. Er lerne die Qualitäten der Schweiz erst heute richtig schätzen. «Hier kommt frisches und trinkbares Wasser aus dem Hahnen, die Schweiz ist schon fast Utopia», erklärt der Musiker. «Wenn man in Aadorf lebt, sieht man den Weiher, den Wald und die Felder gar nicht mehr, weil alles langweillig erscheint, sobald man aber nach einiger Zeit wieder zurückkommt, sieht man alles mit anderen Augen und die Thurgauer Landschaft bekommt eine völlig neue und grössere Bedeutung.» Ein Freund von ihm habe sich beschwert, dass es in der Schweiz immer enger werde auf den Strassen, weil immer mehr Menschen hier lebten, da müsse er nur staunen. Im Vergleich zu New York City, wo Uenala lebt, seien die Strassen in der Schweiz praktisch leer.
Kurt Uenala vor dem Schulhaus Aadorf, wo er zur Schule gegangen ist. Bild: Philipp Bürkler
Mittlerweile lebt Uenala seit 18 Jahren im «Big Apple». Im Frühling 2000 hat es ihn aus Liebe zur Musik vom überschaubaren kleinen 8000-Seelendorf Aadorf in die Achtmillionen-Metropole New York verschlagen. Sehr schnell lernte er dort wichtige Leute aus der Musikszene kennen. «Vor gut zehn Jahren habe ich Dave Gahan kennengelernt.» Der Engländer Gahan, der mit seiner Familie ebenfalls in New York lebt, ist Sänger der britischen Band Depeche Mode, die im Juni am Open Air St. Gallen auftritt. Es war die Zeit der Nullerjahre, als die Krise die Musikindustrie mit voller Wucht erfasst hatte. Angebote wie iTunes und die stark rückläufigen CD-Verkäufe änderten die Art und Weise des Musikhörens radikal. «Tonstudios vermieteten deshalb einige ihrer Studioräume an Dritte, um damit wenigstens noch etwas Geld zu verdienen.» In einem der Studios in New York mietete auch Dave Gahan einen Raum. Kurze Zeit später ging das Studio jedoch Bankrott und Gahan war gezwungen, nach einem neuen Studio zu suchen. «Ich selber habe damals ebenfalls einen Raum in einem Studio gemietet, worauf Gahan jeweils zu mir ins Studio kam.» Daraus sei eine Freundschaft zwischen den beiden entstanden.
Uenala mit eigenem elektronischen Debut-Album
Anfänglich hatte Uenala für Gahan einige Gesangsspuren aufgenommen und Depeche-Mode-Songs editiert. Mittlerweile komponiert er auch Songs für die britischen Superstars. Obwohl das Trio Depeche Mode weltweit erfolgreich sei, «sind die Jungs total auf dem Boden geblieben». Der Aadorfer ist mittlerweile das vierte inoffizielle Mitglied der Band. Hauptkomponist und Gitarrist Martin Gore lebt in Los Angeles und Keyboarder Andrew Fletcher in London. Jeder Musiker arbeite unabhängig von den anderen. «Sobald Dave und Martin genügend Songideen zusammen haben, treffen sich die drei und hören sich die einzelnen Demos an.» In einem zweiten Schritt, bei dem auch Uenala dabei ist, trifft sich die Band wieder und nimmt erste Songs im Studio auf. Auch Uenala bringt seine Songideen mit ein Manchmal müsse er auch zurückstecken, nicht immer würden seine Vorschläge Eins zu Eins übernommen. «Damit muss ich rechnen, dass ein Song auf dem Album dann etwas anders klingt, als ich ihn mir ursprünglich vorgestellt habe.» Auf dem Albumcover stehe schliesslich «Depeche Mode» und nicht sein Name. «Ich bin bei Depeche Mode nur angestellt und werde zu Tagessätzen bezahlt, aber das ist okay für mich.»
Videoporträt über Kurt Uenala
Uenala ist nicht nur Komponist und Produzent von Depeche Mode, sondern hat schon selbst in zahlreichen Bands gespielt, zuletzt mit seinem eigenen Projekt Kap10Kurt. Im Dezember veröffentlichte er unter dem Künstlernamen Null & Void sein elektronisches Debut-Album «Cryosleep». Gesangliche Unterstützung erhält Uenala auf dem von ihm selbst geschriebenen Song «Where I Wait» von Dave Gahan, dessen unverkennbare Stimme sofort an Depeche Mode erinnert. «Klar, das ist ein riesiger Boost, das weiss Dave auch.» Seine Stimme sei ein tolles Startkapital und Gahans Engagement zeige die Wertschätzung ihrer Freundschaft, so der Thurgauer. «Dass er sich auch noch Zeit genommen hat, mit mir ein Video zu drehen ist der Hammer.»
Zurück von New York in die Schweiz?
Zurzeit weilt Uenala in Europa. Vor einigen Tagen reiste er nach Kopenhagen, um seine Freunde von Depeche Mode zu besuchen, die in der dänischen Hauptstadt ein Konzert gaben und kommende Woche geht es nach Budapest. «Im Frühling gehe ich dann für zwei Monate nach Island, wo ich ein Stipendium erhalten habe, um in einem abgelegenen Fjord in einer Künstler-Community einige musikalische Projekte zu realisieren. Erst im Sommer gehe es zurück nach New York.
«Nach 18 Jahren in New York City denke und träume ich mittlerweile in Englisch.» Dennoch habe er New York etwas satt, verrät der Elektronik-Musiker. «Berlin würde mir sehr gut gefallen, weil da momentan kreativ mehr passiert.» Dennoch: «Ich kann mir sehr gut vorstellen, irgendwann wieder in der Schweiz zu leben.» Das einzige was ihn abhalte zurück zu kommen, sei seine Freundin und das viele Equipment von Synthesizern und Sequenzern. «Die analogen Geräte laufen teilweise nur auf dem amerikanischen Stromnetz und können nicht auf das europäische Netz umgerüstet werden.» Am liebsten würde Uenala in der Schweiz auf dem Land leben und nicht in einer Stadt. «Aber dafür bin ich noch zu wenig etabliert», sagt er ironisch. «Ich bin noch keine so grosse Nummer, dass die internationalen Stars zu mir beispielsweise ins Appenzellerland fliegen würden.»
Album Null & Void «Cryosleep» 2017
Video: Dave Gahan singt für Kurt Uenala
Depeche Mode live am Open Air St. Gallen, 30. Juni 2018
Von Philipp Bürkler
Weitere Beiträge von Philipp Bürkler
- In der Nische zu Hause (30.05.2018)
- «Am wichtigsten sind gute Geschichten» (21.03.2016)
- Haben Sie Fragen?
- Selbstbewusst im Diplomatenkreis (18.06.2016)
- Aufruf an unsere Leserschaft (14.06.2016)
Kommt vor in diesen Ressorts
- Musik
Kommt vor in diesen Interessen
- Porträt
- Pop
Ähnliche Beiträge
Von der Bittersüsse des Lebens
«Grapefruit tears» heisst das neue Album des in Bern lebenden Exil-Thurgauers Stephan Greminger und seiner Band HisDogBingo. Anfang 2019 kommt er damit auch ins Eisenwerk Frauenfeld. mehr
Gewinnspiel der Woche
Wir verlosen 2x2 Karten für das Carrousel-Konzert im Presswerk Arbon am Freitag, 5. Oktober 2018. mehr
„Musig i dä Stadt“: Ein Projekt des Kulturfonds
Zwei Tage lang wird die Frauenfelder Altstadt zur Bühne für lokale Musikerinnen und Musiker. Realisiert werden kann „Musig i dä Stadt“ unter anderem dank des Kulturfonds der Stadt Frauenfeld. mehr