von Michael Lünstroth, 07.11.2017
Die Geometrie-Liebhaberin
Sie ist jung und hat ein Faible für Geometrie: Almira Medaric erhält in diesem Jahr den Adolf-Dietrich-Förderpreis. Wir haben sie in ihrem Atelier besucht.
Dass sie mal Künstlerin werden würde, lag ein bisschen auch in ihrer Familie, sagt Almira Medaric: "Meine Tante war Künstlerin, sie hat mich oft in Ausstellungen mitgenommen, sie hat mich zur Kunst gebracht." Die 24-Jährige hat in Lausanne und Basel Kunst studiert. Jetzt erhält sie den ersten wichtigen Preis in ihrem Leben - am Samstag, 18.November, 17 Uhr, verleiht ihr die Thurgauische Kunstgesellschaft den Adolf-Dietrich-Förderpreis 2017. Was ihr der Preis bedeutet, was sie bei ihrer Arbeit inspiriert und warum sie so ein ausgesprochenes Faible für klare Linien, strenge Formen, mithin für alles Geometrische hat, erzählt sie im Videoporträt. Drei Wochen vor der Preisverleihung haben wir sie in ihrem Frauenfelder Atelier besucht.
Video: Besuch in Almira Medaric`Atelier
In einer Medienmitteilung hatte die Thurgauische Kunstgesellschaft im April erklärt: "Die Jury überzeugte die 24-jährige Künstlerin Almira Medaric mit ihren "Personal Boxes", an denen sie seit 2014 arbeitet. Medarics Arbeiten lösen Formen aus Objekten heraus, die von Menschen in ihrer Alltagswelt genutzt werden. Mit dem Verständnis von Geometrie als Medium kreiert sie Objekte, die zugleich Gemälde und Skulpturen sind. Geometrische Formen begreift sie als Geste, derer sich der Mensch bedient, um sich selbst und die Welt auszudrücken." Aus mehr als 20 Bewerbungen aus dem Raum Bodensee (Thurgau - St Gallen - Kreis Konstanz und Singen) erwählte die Jury die junge Künstlerin.
Die "Personal Boxes" sind dreidimensionale Holzobjekte, die die Künstlerin nach ihren eigenen geometrischen Regeln entstehen ließ: "Vor einem Jahr habe ich begonnen, Freunden Briefe zu schreiben, in denen ich alle bat, mir eine Form zu zeichnen. In diesen habe ich ein paar Spielregeln gesetzt, zum Beispiel nur Diagonale von 45 Grad, Vertikale und Horizontale zu nutzen und sich für eine Farbe zu entscheiden", wird die Preisträgerin in der Mitteilung zitiert.
"Jede Form wird zum Raum der Möglichkeiten"
Die dreidimensionalen farbigen Objekte sind wiederum ausgestellt auf der klaren Fläche gemalter schwarzer Linien: das variabel an Ort und Inhalt anpassbare "Regal" der Künstlerin halte sich bewusst im Hintergrund. In seiner Zweidimensionalität biete es die zurückhaltende aber verlässliche Ausstellungsfläche für die ausgelösten Formen. Objekt und Geometrie werden verbunden. "Die Werke besitzen nicht nur eine haptische Qualität, sondern sprechen zugleich das visuelle und geistige Erleben und Empfinden der Betrachter an. Jede Form wird zum Raum der Möglichkeiten", erklärt die Kunstgesellschaft.
Almira Medarics künstlerische Arbeit weise eine bemerkenswerte Klarheit in der Umsetzung auf, die auf eine spannende Entwicklung hoffen lasse, so die Mitteilung weiter. Almira Medaric, geboren 1992 in Doboj, Bosnien und Herzegowina ist Studentin der HGK Basel. Sie lebt und arbeitet in Frauenfeld. Ihre Werke wurden bereits in mehreren Gruppen- und Einzelausstellungen präsentiert. Die Preisverleihung und Vernissage finden Samstag 18. November 17 Uhr im Kunstraum Kreuzlingen statt.
Weitere Infos zur Künstlerin unter www.almiramedaric.com
Der Adolf-Dietrich-Förderpreis
Die Thurgauische Kunstgesellschaft vergibt im November 2017 zum siebzehnten Mal den Adolf-Dietrich-Förderpreis. Er wird alle zwei Jahre verliehen. Nominiert werden können für diese Auszeichnung junge Künstlerinnen und Künstler mit einer persönlichen Beziehung zum Thurgau oder die in der Region Konstanz-Singen wohnhaft sind. Die Altersgrenze liegt bei 40 Jahren. Verbunden mit dem Preisgeld in Höhe von 15 000 Franken und der Preisverleihung ist eine Ausstellung im November im Kunstraum Kreuzlingen. Mehr zum Förderpreis und früheren Preisträgern gibt es hier: http://kunstgesellschaft-tg.ch/ad_dietrich-foerderpreis.htm
Weitere Beiträge von Michael Lünstroth
- Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? (29.10.2018)
- Bilbao am Bodensee (17.09.2018)
- Im Netzwerk verheddert (28.07.2022)
- Der Elefant im Raum (15.11.2018)
- Progressiv in der Provinz (14.11.2018)
Kommt vor in diesen Ressorts
- Kunst
Kommt vor in diesen Interessen
- Porträt
Ähnliche Beiträge
Ein schipperndes Herz
Rachel Lumsden ist seit Jahren eine der gefragtesten Künstlerinnen der Ostschweiz. Was macht ihre Arbeit aus? Eine Spurensuche in ihrem Arboner Atelier. mehr
Die Blickesammlerin
Am 12. September erhält Judit Villiger im Frauenfelder Eisenwerk den Thurgauer Kulturpreis. Ein Garten und ein Haus nehmen in ihrem aktuellen Schaffen zentralen Raum ein. mehr
Der Entdecker der Langsamkeit
Othmar Eder ist ein geduldiger Beobachter und klarer Denker: Mit einer neuen Monographie und einer neuen Ausstellung erfährt sein vielfältiges Werk die verdiente Aufmerksamkeit mehr