von Michael Lünstroth, 26.04.2018
Wie ein Asbestfund die Arbeit eines Museums lähmt
Im März wurde bekannt, dass in einem Depot des Historischen Museums Asbest gefunden wurde. Seither kann das Museum mit den dort gelagerten 30.000 Objekten nicht mehr arbeiten. Wie geht es jetzt weiter?
Für ein Museum ist ein Depot zentral. Hier findet die wesentliche Arbeit der Kuratoren statt. Seit März muss das Historische Museum in Frauenfeld gewissermassen ohne Depot auskommen: Wegen eines Asbestfalles in dem Gebäude an der Frauenfelder Bahnhofstrasse kann mit den dort gelagerten Objekten derzeit nicht gearbeitet werden. In sechs Fragen und Antworten wollen wir den Fall beschreiben und erklären, was das für das Museum eigentlich bedeutet.
Was genau wurde bei den Untersuchungen gefunden?
Im Februar 2018 wurden in dem Gebäude in der Bahnhofstrasse im zweiten Untergeschoss - in einem Archiv des Amtes für Umwelt - Asbeststaub gefunden. Diese seien direkt ausgelöst gewesen von Bauarbeiten im Erdgeschoss des Gebäudes, wie Erol Doguoglu, Kantonsbaumeister, auf Nachfrage erklärt. Für das Depot des Historischen Museums habe es zunächst Entwarnung gegeben - Luftmessungen ergaben keinen Asbestbefund. „Gleichzeitig wurden aber Klebeproben von verschiedenen Exponaten genommen, welche teilweise Spuren von Asbest aufwiesen“, so Doguoglu weiter. Dieses Fasern stünden aber vermutlich nicht in Zusammenhang mit den Arbeiten im Erdgeschoss. Wie und in welchem Umfang sie auf Teile der Bestände gelangt sind, ist derzeit noch unklar. Die Behörden hoffen auf weitere Erkenntnisse nach den noch laufenden Abklärungen.
Asbestfasern unter dem Mikroskop. Bild: Von http://usgsprobe.cr.usgs.gov/picts2.html, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=690637
Was bedeutet das für das Museum?
Mit den Objekten des Museums kann derzeit nicht gearbeitet werden. „Die Alltagsarbeit der Kuratoren und Kuratorinnen ist gegenwärtig blockiert. Externen Forschern können wir derzeit keinen Zugang zu den Beständen gewähren. Anderen Museen können keine Leihgaben zur Verfügung gestellt werden“, erläutert Museumsdirektorin Gabriele Keck die Lage. Die Situation dürfte auch Einfluss haben auf mögliche Leihgeber für kommende Ausstellungen des Historischen Museums. Kaum ein anderes Museum wird geneigt sein, Objekte zu verleihen, so lange die Asbest-Situation ungeklärt ist.
Wie viele Objekte sind betroffen?
Es handelt sich um die nicht im Schloss Frauenfeld ausgestellte kulturgeschichtliche Sammlung des Kantons. Darin sind rund 30.000 Objekte verschiedenster Gattungen aus verschiedenen Materialien: Holz, Glas, Metall, Textilien, Keramik. Ganz dringend benötigt werden sie am Museum derzeit allerdings nicht: „Glücklicherweise haben wir gerade erst die Sonderausstellung «Schreck & Schraube. Weltindustrie im Thurgau» im Alten Zeughaus Frauenfeld eröffnet, so dass wir selbst keine Objekte zu Ausstellungszwecken aus dem Depot holen müssen“, sagt Gabriele Keck.
Wie wichtig ist ein Depot für ein Museum?
Es ist ein zentraler Ort für ein Museum. Dazu Gabriele Keck: „Ein Museum ist ein Sachgüterarchiv. Die Sammlung ist das Kapital eines Museums. Ohne die Sammlung an Kulturgütern gäbe es keine Ausstellungen, keine Kulturvermittlung, keine Forschung. Im Depot wird das erhaltenswürdige materielle Erbe unserer Vorfahren gelagert, es sind Zeugnisse der Thurgauer Geschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Die Objekte erzählen Geschichten und öffnen Fenster in die Vergangenheit. Mit dem Wissen über die Vergangenheit können wir die Gegenwart besser verstehen. Damit die Substanz der Objekte langfristig erhalten werden kann, sind eine fachgerechte Lagerung unter staubfreien und stabilen klimatischen Bedingungen und ein regelmässiges Monitoring (Zustandskontrolle) notwendig."
Braucht ein neues Depot: Gabriele Keck, Direktorin des Historischen Museums in Frauenfeld. Bild: Historisches Museum TG
Wie geht es jetzt weiter?
Die betroffenen Kulturgüter müssen von den Asbestfasern befreit werden. Wie und in welchem Umfang dies notwendig sein wird ist noch unklar. Wie langwierig so etwas sein kann, zeigt ein Fall aus Konstanz: In der Bibliothek der Universität wurden vor Jahren auch Asbestfasern gefunden. Die Reinigung und Sanierung dauerte mehrere Jahre. Aktuell laufen Gespräche mit dem Eigentümer der Immobilie, der Axa Versicherung. „Ein Zeitplan ist ebenfalls Gegenstand der laufenden Abklärungen. Es besteht lediglich bei allen Beteiligten die Absicht, die Sanierung so rasch als möglich aber auch nicht überhastet an die Hand zu nehmen“, erklärt Kantonsbaumeister Erol Doguoglu. Da das Museum nicht so lange auf ein Depot verzichten kann, soll es ein Ersatz-Depot geben. Ab wann das bezogen werden kann beziehungsweise wo das sein wird, ist derzeit aber auch noch offen.
Ist die aktuelle Ausstellung im Zeughaus auch betroffen?
Nach Angaben von Museumsdirektorin Gabriele Keck ist das nicht der Fall: „Sämtliche Objekte, die zur Zeit im Alten Zeughaus ausgestellt sind, wurden übrigens auf Asbestfasern geprüft. Die Proben konnten zweifelsfrei keinerlei Befall nachweisen.“
Weitere Beiträge von Michael Lünstroth
- Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? (29.10.2018)
- Bilbao am Bodensee (17.09.2018)
- Im Netzwerk verheddert (28.07.2022)
- Der Elefant im Raum (15.11.2018)
- Progressiv in der Provinz (14.11.2018)
Kommt vor in diesen Ressorts
- Kulturpolitik