von Michael Lünstroth, 25.10.2017
Zwischen den Welten
Die Konzertreihe „Klangreich“ geht in ihre 11. Saison. Die ungewöhnlichen Ideen des Programm-Chefs Christian Brühwiler haben die Reihe längst über Romanshorn hinaus bekannt gemacht
Manchmal liegen Tragik und Trost im Leben nah beieinander. So ist das auch bei der Nachricht, dass Christian Brühwiler in diesem Jahr den Romanshorner Kulturpreis erhält. Tragisch ist, dass der Preis aller Voraussicht nach zum letzten Mal verliehen wird in diesem Jahr - die Auszeichnung fällt wohl den Sparzwängen der Stadt zum Opfer. Zumindest etwas tröstlich ist, dass Christian Brühwiler diesen Preis nun bekommt (die Preisverleihung ist am 9. November, 19.30 Uhr, im Roxy). Denn mit ihm wird jemand ausgezeichnet, der nachweislich in den vergangenen Jahren viel für die Kultur und die Vermittlung von Kultur im Thurgau getan hat. Brühwiler, der seine Berufslaufbahn einst als Sozialpädagoge begann, hat sich in den vergangenen Jahren vor allem als Programmmacher mit dem besonderen Händchen für aussergewöhnliche Konzerte einen Namen gemacht: Die Romanshorner Reihe „Klangreich“ hält er seit 11 Jahren jung. Er ist zudem selbst aktiver Musiker, Schwerpunkt Renaissance- und Barockposaune, und unterrichtet auch an verschiedenen Musikschulen.
Die Organisation von „Klangreich“ ist ihm damals angetragen worden. „Man hat mich gefragt, ob ich das nicht machen möchte“, erklärt Brühwiler im Gespräch. Er wollte. „Es ging mir darum, ein Programm zu machen, dass es bislang in der Region nicht gab: Auf einem klassischen Hintergrund sollte es eine Öffnung erlauben zu aktuellen Entwicklungen in der Musik“, beschreibt der Programmmacher die Anfänge. Ihm sei es dabei auch immer darum gegangen „zwischen den Welten zu programmieren und Zugänge zur Musik von verschiedenen Seiten zu schaffen“. Ob ihm das gelingen würde, wusste er am Anfang nicht, aber es nicht zu versuchen, wäre auch keine Alternative gewesen. „Ich war schon immer ein interessierter Hörer und relativ offen bei den Stilrichtungen“, nennt Brühwiler zwei mögliche Gründe für den Erfolg. Die Reihe findet immer noch unter dem Dach der Gesellschaft für Literatur, Musik und Kunst Romanshorn statt, hat sich aber auch längst einen eigenen Ruf über die Stadtgrenzen hinaus erarbeitet.
Ein Erfolgsfaktor - das Ambiente in der Alten Kirche
Tatsächlich ist Christian Brühwiler etwas Erstaunliches gelungen: Die Menschen kommen auch zu den Konzerten, wenn sie die Interpreten gar nicht kennen. Sie verlassen sich darauf, dass es schon gut sein wird, wenn der Stempel „Klangreich“ drauf steht. In Sachen Marken- und Profilbildung ist das eine ziemlich bemerkenswerte Leistung. Für Brühwiler hat das aber auch noch eine ganz andere Seite. „Wenn es nicht mehr um die Interpreten geht, sondern nur noch um die Musik, dann ist nochmal eine ganz andere Form der Auseinandersetzung möglich“, glaubt der 60-Jährige. Zentral für den Erfolg der Reihe ist für ihn auch der Ort: „In der Alten Kirche in Romanshorn herrscht eine besondere Atmosphäre, das ist auch für die Musiker immer reizvoll, in diesem Ambiente zu spielen“, so Brühwiler.
Inhaltlich ist „Klangreich“ immer auf der Suche nach neuen Entwicklungen oder anders gesagt, nach Musik, die Möglichkeiten zu Neuem eröffnet. Die Reihe will eben nicht nur junge Künstler fordern, sondern junge Ideen: „Mir geht es dabei nicht um das Alter der Interpreten, es geht um die Ideen der Musiker. Das ist entscheidend, wenn man stetige Weiterentwicklung und Veränderung will“, findet der Programmchef.
Im Programm gibt es immer wieder Entdeckungen
Eröffnen die neue Klangreich-Saison: Das Vokalensemble chant 1450. Bild: Tabea Hüberli
Was Brühwiler damit meint, kann man auch im Programm der nun 11. Saison der Reihe (komplettes Programm im Kasten am Ende des Textes) erkennen. Zum Beispiel, wenn am 12. November das Vokalensemble chant 1450 und der französische Künstler Sylvain Chauveau aufeinander treffen. Motto des Abends: “Quel monstre voy-je là?“, welches Monster sehe ich?. Es soll Musik der Reformation mit elektronischen Kompositionen von Chauveau verbinden. Die zentrale Thematik der "Vergänglichkeit alles Irdischen" steht dabei im Zentrum. Dabei geht es aber auch um einen Brückenschlag zwischen den Zeiten. Zweites Beispiel: Dass die junge Band Minua ebenfalls dabei ist (11. Februar 2018), zeugt von der Experimentierlust und Offenheit des Programmmachers. Minua, das sind zwei E-Gitarristen und ein Bassklarinettist, die sich an der Grenze zwischen Komposition und Improvisation bewegen. „Inspiriert von Renaissance und Impressionismus, nordischer Folklore und Kammermusik, Jazz und Avantgarde, verschmelzen die drei Musiker zu einer Einheit, ordnen jegliches Ego dem Gesamtklang unter“, heisst es im Pressetext der Musiker. Und wer ein Faible für Barockmusik hat, sollte sich den 25. Februar 2018 schon mal freihalten. Unter dem Titel „Nueva Espana“ erklingt dann ein Programm, das von der indigenen Kultur ebenso geprägt ist wie von der westlichen barocken Kunstmusik. Das Ensembles Mare Nostrum spielt dann unter anderem Werke aus der mexikanischen Barockzeit.
Finanziell stehe die Reihe solide da, sagt Christian Brühwiler. Sie trägt sich aus Beiträgen von Stadt und Kanton, sowie über Mitgliedsbeiträge des Vereins, Eintrittsgelder und Sponsoren.
Das Programm im Überblick
Sonntag, 12. November, 19.30 Uhr: "Quel monstre voy-je là?" verbindet Musik der Reformation mit elektronischen Kompositionen des französischen Künstlers Sylvain Chauveau. Vokalensemble chant 1450 trifft Sylvain Chauveau
Sonntag, 3. Dezember, 17 Uhr: Pierre Favre (Percussion) & Marco Mezquida (Piano)
Montag, 1. Januar 2018, 17 Uhr: stilleklangraumzeit mit Paul Giger, Marie-Louise Dähler und Pudi Lehmann
Sonntag, 11. Februar 2018, 17 Uhr: Minua
Sonntag, 25. Februar 2018, 17 Uhr: Nueva España mit dem Ensembles Mare Nostrum
Sonntag, 18. März 2018, 17 Uhr: Frühlingsgefühle mit Reto Baumann, Luca Borioli, Pit Gutmann und Ueli Kläsi
Tickets: Reservationen für alle Konzerte der Reihe sind hier möglich: http://tickez.yourticket.ch/a.php
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