von Michael Lünstroth, 01.12.2017
Mr Crossover geht von Bord
Beat Fehlmann verlässt nach fünf Jahren die Südwestdeutsche Philharmonie. In seinen Konstanzer Jahren hat der gebürtige Aargauer eigentlich alles richtig gemacht. Eine kleine Bilanz
Nein, eine leichte Entscheidung sei das keineswegs gewesen, sagt Beat Fehlmann, wenn man ihn fragt, wie es zu seinem jetzt bekannt gewordenen Wechsel von der Südwestdeutschen Philharmonie zur Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz kam. „Ich hatte auch noch nicht das Gefühl, dass ich in Konstanz schon alles erreicht hätte, die Situation war immer noch attraktiv. Aber dann kam diese Stelle in Ludwigshafen: ein grösserer Betrieb, mehr Gestaltungs- und Wirkungsmöglichkeiten, das hat mich gereizt. Solche Stellen sind rar gesät“, erklärt er im Gespräch mit thurgaukultur.ch seinen Jobwechsel.
Und so kommt es nun zu dem, wovor viele in Konstanz seit Monaten ein bisschen Angst hatten: Der Erfolgs-Intendat der Südwestdeutschen Philharmonie geht. Bis Juli, August 2018 bleibt er im Amt. Ab dem 1. September 2018 übernimmt er die Staatsphilharmonie. Über einen Headhunter wurde er aus Ludwigshafen angesprochen, danach folgte die formelle Bewerbung. Im August dieses Jahres entstand der Kontakt zum neuen Arbeitgeber, in den Wochen danach habe er viel über das Für und Wider nachgedacht, bekennt der 43-Jährige. Letztlich haben die neue Aufgabe, wohl auch das grössere Renommee eines Landesorchesters, den Ausschlag gegeben. Er freue sich sehr auf diese neue Aufgabe und die Möglichkeiten, die sich damit verbinden, aber der Tag der offiziellen Vorstellung in Ludwigshafen war für ihn auch kein ganz leichter Tag. Weil es auch bedeutete, seinen Abschied aus Konstanz Mitarbeitern und Wegbegleitern zu verkünden. Alle ahnten, dass Fehlmanns Tage am Bodensee endlich sein würden (sein Vertrag wäre 2018 ausgelaufen), aber das Ende kommt dann für die meisten doch schneller als befürchtet.
Fehlmann hat die Stimmung in 4 Jahren komplett gedreht
Das liegt natürlich auch daran, dass er in Konstanz ziemlich erfolgreich war. In den vergangenen vier Jahren hat Beat Fehlmann so gut wie nichts wirklich falsch gemacht. Ihm ist vielmehr ein kleines Wunder gelungen. Fast 800 000 Euro gross war das Loch zeitweise in der Orchesterkasse als er 2013 das Amt in Konstanz antrat. Sein Vor-Vorgänger hatte den Klangkörper mit künstlerischen Ambitionen und wirtschaftlichem Unverstand fast an die Wand gefahren. Das Image der Musiker in der Stadt war verheerend. Und dann kam dieser stille Aargauer Kulturmanager - und alles wurde anders. 2015 gelang es ihm sogar einen veritablen Überschuss von mehr als 210 000 Euro zu erwirtschaften. Die Abozahlen sind mit mehr als 3000 auf einem Allzeithoch. Die Stimmung in Konstanz hat Beat Fehlmann gedreht. Die Philharmonie ist wahrscheinlich so fest in der Stadt verankert, wie noch nie seit ihrem Bestehen.
Eine seiner grössten Leistungen in Konstanz war, dass es ihm inmitten der schweren Finanzkrise des Orchesters gelungen ist, die Kommunalpolitiker zu überzeugen, das Budget der Philharmonie um 300 000 Euro im Jahr zu erhöhen. Das war die Grundlage auf dem alles Weitere überhaupt erst wachsen konnte. Seine grundsätzliche Offenheit für alles Neue war ein wesentlicher Inhaltsstoff des Erfolgsrezeptes. „Wir müssen auch dahin gehen, wo man uns nicht erwartet. Wir müssen dahin gehen, wo die Menschen sind und sie davon überzeugen, dass so ein Orchester mehr ist als ein elitäres Vergnügen für die Wohlhabenden", sagt Fehlmann. Das ist so gut gelungen, dass sich das Orchester mittlerweile einen ganz eigenen Coolness-Ruf erspielt hat. Und das nicht nur, weil die Philharmonie seit Fehlmann auch mal mit Popgrössen wie Peter Fox, Max Herre und Joy Denalane auftritt. Tatsächlich hat der Intendant immer wieder alte Selbstverständlichkeiten in Frage gestellt und seine Musiker neu heraus gefordert.
Grenzen einreissen, Brücken bauen, Erwartungen konterkarieren, vermeintliche Gewissheiten durchbrechen; das war der Stil, den Beat Fehlmann in Konstanz vorgelebt hat. Was ihn von seinen Vorgängern und anderen Intendanten-Kollegen immer unterschied, war auch das: Auf die üblichen Intendanten-Prahlereien und politischen Ränkespiele hat er verzichtet. Das hatte er nicht nötig.
Der Bürgermeister verabschiedet sich mit Hesse-Gedicht
Noch so ein Grund, warum dem 43-Jährigen jetzt so viele Tränen nachgeweint werden. Sein Vorgesetzter, der Konstanzer Kulturbürgermeister Andreas Osner (SPD), stellt seinem Statement zum Wechsel von Fehlmann Hermann Hesses „Stufen“ vorne an. Osner hätte Beat Fehlmann gerne gehalten. Die Stadt Konstanz hatte Fehlmann ein Angebot vorgelegt, den Vertrag um weitere fünf Jahre zu verlängern. Mit Kündigungsrecht. Davon machte der Schweizer jetzt Gebrauch. Osner ist trotzdem dankbar für die gemeinsamen Jahre: „Ganz im Sinne Hermann Hesses wünsche ich Beat Fehlmann einen grandiosen Start in seiner neuen Lebensstufe und den Zauber des Neubeginns, den er sich erhofft. Aber für einen Abschied von Herrn Fehlmann fehlt mir offen gesagt noch die Tapferkeit, denn die Trauer überwiegt. Beat Fehlmann ist der beste und auch wirtschaftlich erfolgreichste Intendant, den die Südwestdeutsche Philharmonie (SWP) jemals hatte. Er hat die SWP aus einer tiefen Krise heraus zur Exzellenz geführt. Aus Verunsicherung und Misstrauen erwuchsen Anerkennung, Freude, Kreativität und Stabilität. Er und sein Team haben 1,35 Millionen Euro Bundesförderung eingeworben. Zudem hat die SWP ein musiktaugliches und kultursensibles Controlling-System entwickelt, das bundesweit einzigartig ist, in der Fachwelt als beispielhaft besprochen wird und für die Stadt Konstanz eine nie dagewesene Transparenz und Steuerungsmöglichkeit des Orchesters ermöglicht.“
Was Osner besonders beeindruckt hat: „Vor allem aber kulturell-gesellschaftlich hat Herr Fehlmann den „Konschdanzer genetischen Code“ so umprogrammiert, dass unsere Philharmonie nicht als bürgerlicher Luxus wahrgenommen wird, sondern Teil der kulturellen Identität dieser Stadt und als ein zentraler Schauplatz ihrer Vielfalt. Und durch die vielen Crossover-Projekte hat er immer wieder musikalische Brücken gebaut, auf denen das Publikum der „Stadt an der Grenze“ lustvolle und lustige Grenzüberschreitungen begehen konnte.“
Wohl auch wegen solch emotionaler Anerkennungen fällt Beat Fehlmann der Abschied schwer. Auf die Frage, was ihm von seinen Konstanzer Jahren wohl bleiben wird, sagt er: „Vor allem die vielen tollen Begegnungen mit wunderbaren Menschen.“
Weiterlesen: Ein ausführliches Porträt über Beat Fehlmann lesen Sie hier
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