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von Michael Lünstroth, 19.04.2017

Die Museen bewegen sich

Die Museen bewegen sich
Heinz Reinhart, Präsident des Verbandes "Museen im Thurgau" beim Redaktionsbesuch von thurgaukultur.ch | © Michael Lünstroth

Wie steht es um die Museumslandschaft im Thurgau? Wer könnte das besser beantworten als Heinz Reinhart, Präsident des Vereines "Museen im Thurgau", der in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag feiert? Eben. Deshalb haben wir mit ihm gesprochen. Über neue Entwicklungen, alte Debatten und die Langsamkeit politischer Prozesse

Interview: Michael Lünstroth

Herr Reinhart, der Verein "Museen im Thurgau" wird 100 Jahre alt. Als Präsident haben Sie einen Wunsch frei - was wünschen Sie sich zum Geburtstag?

Ich würde mir vor allem wünschen, dass wir als Verein anerkannt werden als ernstzunehmender Partner. Wir sind da auf einem guten Weg, es müsste aber noch mehr gehen, damit wir die Interessen der Museen im Thurgau auch wirklich stimmkräftig wahrnehmen und vertreten können.

Wie steht es denn heute um die Museumslandschaft im Thurgau?

Der Thurgau ist für Museen nicht ganz einfach. Der Kanton ist sehr dezentral, es gibt keine grössere Stadt, die Ansprüche sind sehr verschieden. Insgesamt kann sich das aber durchaus sehen lassen. Aktuell ist gerade einiges in Bewegung. Ich habe den Eindruck, dass es da gerade allerdings unterschiedliche Entwicklungsgeschwindigkeiten in der Museumslandschaft gibt. Die kantonalen Museen, die professionell geführt werden und ein klares Budget haben, gehen voran und zeigen in welche Richtung es gehen kann. Die meisten Museen im Kanton werden aber derzeit noch anders geführt, von Menschen, die das ehrenamtlich mit viel Leidenschaft betreiben, aber nicht so viel Zeit und Geld haben, um ihr Museum stets auf der Höhe der Zeit zu halten. Vorbildlich ist das, was gerade in Kreuzlingen passiert ist. Dass es die Museen dort geschafft haben, die Stadt bei der Finanzierung mit ins Boot zu holen und auch die Bürger davon zu überzeugen, das ist schon sensationell. Ich habe die Hoffnung, dass davon auch eine Signalwirkung ausgeht.

Sie plädieren für eine Professionalisierung der Museen?

Unbedingt. Die Museen, die professionell oder wenigstens semi-professionelle geleitet werden, haben bessere Überlebenschancen, weil sie einfach ein besseres Programm machen können. Unser Verein bietet den Museen da immer die Hand. Mit Weiterqualifizierungen, Rat und sonstigen Unterstützungen. Unser Ziel ist: Wir wollen eine ‚Koalition der Willigen' bilden, die sich den Herausforderungen der Zukunft stellen wollen und bereit sind, auch mal gewohnte Wege zu verlassen.

Schauen wir uns einige Entwicklungen konkret an: Beim Kunstmuseum soll es einen neuen Anlauf für Sanierung und Erweiterung geben - richtige Entscheidung?

Sicher. Nachdem ja die ganze Frage durch einen Gerichtsentscheid blockiert war, ist es richtig, dass man da jetzt einen Neuanlauf wagt. Wichtig ist, dass das Kunstmuseum Planungssicherheit erhält und in die Zukunft schauen kann. Die Sanierungsarbeiten muss man einfach machen, deshalb begrüsse ich die Entscheidung. Aber das ist meine persönliche Meinung.

Gibt es einen denn überhaupt einen Erweiterungsbedarf beim Kunstmuseum?

Das wird immer diskutiert, aber dazu möchte ich mich jetzt nicht weiter äussern.

Das Historische Museum hingegen muss weiter warten. Können Sie diese Entscheidung nachvollziehen?

Das ist auch eine Diskussion, die lange geführt wurde. Ich kenne das Historische Museum in Frauenfeld sehr gut, habe 16 Jahre dort gearbeitet. Insofern bin ich informiert über die Bedingungen, unter denen dort gearbeitet werden muss. Die Debatte läuft nun in der Politik dazu, deshalb bitte ich auch hier um Verständnis, dass ich inhaltlich öffentlich nichts dazu sagen kann.

Wollen Sie nicht oder dürfen Sie nicht?

Ich habe eine dezidierte Meinung zu vielen politischen Themen. Aber ich habe gelernt, dass ich mich manchmal auch besser zurückhalte, weil meine Meinung mutmasslich auch wenig Einfluss auf das Geschehen hätte. Aber zu Ihrer Frage: Ich will gerade nicht darauf antworten, weil da einfach nur sehr vieles im Fluss ist. Ich möchte aber an alle beteiligten Parteien appellieren, dass Sie sich Gedanken machen über die Zukunft des Museums und dass sie sich darum bemühen, dass es irgendwann auch vorwärts geht. Wie und wo auch immer. Aber das muss die Politik entscheiden. Aber wenn Sie mich persönlich fragen, dann habe ich schon den Eindruck, dass der politische Prozess in diesen Dingen bisweilen sehr langsam ist.

Zum Schluss noch ein Blick nach vorne: Wie sieht die Museumswelt der Zukunft aus? Gehen wir in 50 Jahren überhaupt noch in Museen?

Solange es Leute gibt, die bereit sind, sich einzubringen, etwas für die Gesellschaft zu leisten und das kulturelle Erbe zu wahren, glaube ich daran, dass wir auch noch in 50 Jahren in Museen gehen. Klar ist aber auch, man wird nicht jedes Museum im Kanton so halten können, wie es jetzt gerade ist. Es wird Veränderungen in der Museumslandschaft geben. Vielleicht ist das das Einzige, was derzeit gewiss ist. Das ist aber nur ein Teil der Antwort. Was mir Sorgen bereitet sind die gesellschaftspolitischen Entwicklungen in Europa und auf der ganzen Welt. Wenn ich mir das so anschaue, dann bin ich schon nicht mehr so optimistisch für die zukünftige Museumsentwicklung. Sagen wir es mal so: Die äusseren Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur werden nicht einfacher werden.

 

Der Verein "Museen im Thurgau"

Der Verein besteht seit 1917 und heisst seit der Jahresversammlung im Oktober 2016 «Museen im Thurgau – Museumsgesellschaft» (ehemalige «Thurgauische Museumsgesellschaft»). Der Verein war ursprünglich Trägerin der verschiedenen Sammlungen des damaligen Thurgauischen Museums. Diese gingen – von einigen besonderen Sammelobjekten abgesehen –, 1958 ins Eigentum des Kantons Thurgau über und bilden heute den Grundstock der Sammlungsbestände im Historischen Museum Thurgau (Schloss Frauenfeld), im Naturmuseum und im Museum für Archäologie in Frauenfeld.

 

Die Träger: Der Verein wird getragen von Museumsfreundinnen und -freunden sowie Gönnern mit dem Ziel, das Interesse und das Verständnis für unsere Museen und Sammlungen in der Gesellschaft zu fördern. Ferner wird eine Mitgliedschaft möglichst vieler Museen und Sammlungen im Thurgau angestrebt. Der Verein finanziert sich im Wesentlichen durch Mitgliedsbeiträge. Zudem gibt es eine Leistungsvereinbarung mit dem Kulturamt des Kantons. Jährlich erhält der Verein seit dem Jahr 2016 insgesamt 2500 Franken.

 

Die Ziele: "Mit «Museen im Thurgau – Museumsgesellschaft» erhalten unsere Museen und Sammlungen eine gewünschte Interessenvertretung gegenüber der Bevölkerung, den Behörden und nicht zuletzt der Politik. Denn diese Institutionen sind wichtige Träger unseres kulturellen Erbes und sie stiften Identität" heisst es auf der Internetseite des Vereins. Der Verein «Museen im Thurgau – Museumsgesellschaft»* bietet seinen Mitgliedern eine Plattform für den Austausch, für die Weiterbildung und die Vernetzung. 

 

Der Präsident: Heinz Reinhart, geboren 1956 in Weingarten bei Lommis, lebt in St. Gallen. Museums- und Sammlungsfachmann, Spezialist für historisches Bildmaterial und grafische Sammlungen. Kenner der Ostschweizer Museums- und Kunstszene. Seit 1988 Co-Leiter des Grundkurses 'Museumspraxis' der Schweizer Museumsverbände ICOM / VMS. bis 2013 Betreuer der Kunst- und Kultursammlungen Rutishauser in Kreuzlingen.

 

Das Jubiläumsprogramm: Statt grossem Festakt bietet der Verein zum 100. Geburtstag verschiedene Veranstaltungen über das Jahr verteilt an verschiedenen Orten im Kanton. Die Museen sollen so der Bevölkerung noch bekannter gemacht werden. Die nächste Veranstaltung des Programms findet am Mittwoch, 17. Mai, im Museum Rosenegg in Kreuzlingen statt. Das Thema dreht sich dann um das Konzil von Konstanz und heisst: "Sic transit gloria mundi – Die Bildersprache der Richental-Chronik". Das komplette Jubiläumsprogramm zum Herunterladen gibt es hier

 

Der Verein im Internet: www.museen-im-thurgau.ch 

 

Weiterlesen:

"Neue Ideen in Museumsdebatte": Der Regierungsrat hat erklärt, wie es aus seiner Sicht mit Kunstmuseum und Historischem Museum weitergehen soll. Aber ist das der Weisheit letzter Schluss? Wir haben uns umgehört. (Artikel vom 3. April 2017)

"Parlament soll entscheiden": Das Thurgauer Verwaltungsgericht will keine juristische Prüfung der Vorgänge um das Kunstmuseum durchführen. Warum für die Beschwerdeführer die Geschichte damit aber noch nicht beendet ist (Artikel vom 10. April 2017)

"Lernen durch Begreifen": Keine andere Kultureinrichtung besuchen Schweizer so oft wie ihre Museen. Ein Erfolgsgrund: Die Vermittlungsarbeit der Museumsmacher. Aber wie genau geht die? Ein Praxisbesuch (Artikel vom 15. Dezember 2016)

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