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von Michael Lünstroth, 19.07.2018

Was bleibt vom Konziljubiläum?

Was bleibt vom Konziljubiläum?
Mehr als nur Imperia: Das Konziljubiläum hat die Perspektive auf die historischen Ereignisse geweitet. | © www.designstudio-eminent.de

5 Jahre hat Konstanz sein Konziljubiläum gefeiert, auch der Thurgau war intensiv dabei. Nach dem Finale vom vergangenen Sonntag, stellt sich nun die Frage: Was bleibt von all dem?

Es gibt diese eine Geschichte, die Ruth Bader gerne erzählt, wenn man sie nach ihren Erinnerungen an das Konziljubiläum fragt. «Ich habe mal einen Vortrag über das Konzil und unser Programm gehalten und anschliessend kam eine Frau auf mich zu und sagte: ‚Das was Sie über die Kinderakademie (ein Vermittlungsangebot für Kinder) gesagt haben, kann ich nur bestätigen. Unser Sohn hat daran teilgenommen und uns danach so viel über das Konzil erklärt.‘» Ruth Bader muss heute noch lächeln, wenn sie daran denkt. «Wenn das das Konziljubiläum geschafft hat, wenn die Geschichten aus dem Mittelalter Thema bei den Menschen wurden, dann haben wir viel erreicht», ist die Frau, die seit 2009 Organisationschefin der 600-Jahr-Feier des Konstanzer Konzils ist, überzeugt.  

Am Sonntag, 22. Juli, endete das Marathon-Festival nun. Guter Anlass, um zurück zu blicken auf die vergangenen 5 Jahre: Was ist passiert? Was wurde geboten? Der erste Gedanke: Vielfältig war es vor allem. Und das auf ganz verschiedenen Ebenen. Kunst, Musik, Theater, Film, Literatur - die Kultur hat aus ganz verschiedenen Perspektiven auf dieses Ereignis der Jahre 1414 bis 1418 geschaut. Sämtliche denkbare Zielgruppen - vom Kind bis zum Senior, vom Historiker bis zum Handwerker - wurden bedient und vielleicht der wichtigste Schlüssel in der Vermittlung: Es gab sehr verschiedene Zugänge und Einstiegsmöglichkeiten in das doch erstmal sperrig klingende Thema Konzil. Niederschwellige wie die Playmobil-Ausstellung im Archäologischen Landesmuseum oder das grosse Mittelalter-Spektakulum 2016, das die ganze Stadt ein bisschen in die Vergangenheit reisen liess. Und eben auch anspruchsvolle Auseinandersetzungen wie die grosse Landes-Ausstellung des Badischen Landesmuseums Karlsruhe gleich zu Beginn des Jubiläums, die Ausstellung des Historischen Museums Thurgau oder die zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen, die in den vergangenen Jahren erschienen sind.

Bilderstrecke: Best-of-Konziljubiläum: 20 schöne Momente des Festivals

Der einstige Chefkritiker ist milde geworden 

Wer wissen will, ob all diese Bemühungen etwas in den Köpfen der Menschen verändert haben, der muss mit Holger Reile reden. Der Stadtrat der Linken Liste war von Anfang an einer der schärfsten Kritiker des gesamten Projektes. Er empfand es als zu lang und zu teuer (6 Millionen Euro hat die Stadt investiert). Und jetzt? Was bleibt vom Konziljubiläum, Herr Reile? «Sicher einige gute Veranstaltungen, wie beispielsweise die grosse Landesausstellung. In positiver Erinnerung bleiben mir auch Angebote für die Jugend. Da sollte man aktuell anknüpfen, gerade in Zeiten, in denen Europa auseinanderbrechen zu droht, Rassisten in vielen EU-Ländern die politische Debatte bestimmen und nationalistisch-völkisches Gedankengut sich breit macht, was schlussendlich zu Abschottung und menschenverachtender Ignoranz führt. Dagegen anzugehen und grenz- und länderübergreifende Debatten zu organisieren, halte ich für wichtig und absolut wünschenswert», so Reile in einer E-Mail an thurgaukultur.ch. Er halte den 5-Jahres-Zeitraum nach wie vor für überzogen, viele Veranstaltungen seien auch einfach unter gegangen in der Masse, schreibt er noch ergänzend. Aber: Wenn selbst der einstige Chefkritiker des Jubiläums so milde über das Projekt spricht, dann können die Organisatoren ansonsten nicht so viel falsch gemacht haben

Ruth Bader dürften diese Worte überraschen. Sie hat in der Planungsphase oft und hart mit Holger Reile gerungen. Lange wurde in der Konstanzer Politik über Sinn und Unsinn des Festivals gestritten. Mal ging es um einzelne Projekte, mal um das grosse Ganze. Besonders umstritten war die auch von Stadtrat Reile gerügte Dauer des Jubiläums: 5 Jahre, das hielten einige für viel zu lange, das Thema werde die Menschen irgendwann ermüden, warnten die Kritiker. Ruth Bader hat immer für ihr Konzept gekämpft - und sich am Ende durchgesetzt. Heute fühlt sie sich bestätigt in der Entscheidung: «Hätten wir nur ein oder zwei Jahre zur Verfügung gehabt, hätten wir niemals so viel Zeit für die nachhaltige Vermittlung der Inhalte gehabt, viele Geschichten wären dann wohl untergegangen», ist Bader überzeugt.

«Das Konziljubiläum ist viel bunter geworden, als ich jemals zu hoffen gewagt hätte.» Organisationschefin Ruth Bader blickt zurück auf 5 Jahre Konziljubiläum.
«Das Konziljubiläum ist viel bunter geworden, als ich jemals zu hoffen gewagt hätte.» Organisationschefin Ruth Bader blickt zurück auf 5 Jahre Konziljubiläum. Bild: Konzilstadt Konstanz

 

Wenn ihr Vertrag im März 2019 ausläuft, wird sie sich fast 10 Jahre lang mit dem Konstanzer Konzil beschäftigt haben. «Es war sehr umsichtig von der Politik damals, dass man uns so viel Vorlaufzeit gegeben hat (2008 begannen die Planungen, Bader ist 2009 eingestiegen, d. Red.). Das hat uns immens geholfen», sagt die Jubiläums-Chefin heute. Erst jetzt in der Rückschau wird offensichtlich, was für ein beeindruckendes Gesamtwerk Bader da mit ihrem Team geschaffen hat: ein im Kern kirchenpolitisches Thema so breit, so vielfältig, so heutig und bisweilen auch so kontrovers zu erzählen, das muss man erstmal nachmachen. Wirtschaftlich kann sie zudem eine fast ausgeglichene Bilanz vorgelegen: Das Budget von 6 Millionen Euro hat sie fast gehalten. Die Endabrechnung liege wegen unerwarteter Ausgaben (zum Beispiel beim Personal wegen diverser Babypausen) etwa 2 Prozent (knapp 120.000 Euro) darüber, sagt Bader.

Die Bilanz der Festivalchefin? Fällt sehr positiv aus  

Am Sonntag nun also der Schlussakt. Komisches Gefühl nach all den Jahren, Frau Bader? «Es ist eine Mischung aus Vorfreude auf das grosse Fest, das da noch bevorsteht und Wehmut, dass es danach wirklich vorbei ist», erzählt die 43-Jährige im Gespräch mit thurgaukultur.ch Ihre persönliche Bilanz fällt positiv aus: «Das Jubiläum ist vor allem bunter geworden als es je zu hoffen gewagt hätte. Die Begeisterung all unserer Partner hielt bis zum Schluss, das hat mich sehr gefreut», so Bader. Die wichtigste Frage, die sie in den kommenden Monaten jetzt noch beantworten muss ist diese: Was bleibt von all dem, wenn der letzte Vorhang gefallen ist? 

So richtig klar ist das kurz vor dem Finale noch nicht. Einige erfolgreiche Veranstaltungsformate wie die Kinderakademie soll es weitergeben, auch der Konzilspreis - ein Preis für europäische Begegnungen und Dialog - sowie das Europakonzil - ein Treffen von Jugendlichen aus ganz Europa - sollen im 2-jährigen Turnus fortgeführt werden. Unklar ist allerdings noch, wer das dann koordinieren soll, wenn es den bisherigen Organisator, den städtischen Eigenbetrieb Konzilstadt Konstanz, nicht mehr gibt. «Wir arbeiten da gerade noch dran», erklärt Ruth Bader. Sie hofft aber auch, dass sich die Stadt einen anderen Gedanken des Jubiläums bewahrt: «Wir haben sehr unterschiedliche Partner zusammengebracht, um gemeinsam etwas zu machen. Davon haben am Ende alle profitiert. Es wäre schön, wenn sich Konstanz diesen Gedanken, der ja im Kern ein konziliarer Gedanke ist, erhalten würde.»

Bröckeln die fragilen Partnerschaften schon wieder?

Man wird sehen, wie sich das entwickelt. Übertriebene Hoffnungen auf eine dauerhafte Wirkung darf man sich wohl nicht machen. Schon jetzt bröckelt der Gedanke etwas. Zum Beispiel beim Wirtschaftskonzil. Der Thurgau will sich hiervon zurückziehen. Auf einer Medienkonferenz Ende April hatte Daniel Wessner, Chef des kantonalen Wirtschaftsamts, erklärt, das Format sei eigentlich auserzählt, eine Fortführung aus Sicht des Kantons derzeit nicht notwendig. Nach dem Erfolg des jüngsten Wirtschaftskonzils mit Bundesrat Johann Schneider-Ammann und dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann könnte sich daran noch mal etwas ändern, es soll jedenfalls weitere Gespräche geben, sagte Ruth Bader auf Nachfrage dazu. Ganz gleich, wie es am Ende ausgeht: Es zeigt doch, wie fragil die Bündnisse teilweise noch sind. 

Der Thurgau hatte das Konziljubiläum ohnehin bereits am 23. April für beendet erklärt. An einer Medienkonferenz zog Regierungsrätin Monika Knill ihre Bilanz: «Zahlreiche Projekte verschiedenster Partner im Kanton Thurgau sollten dazu beitragen, die Geschichte des 15. Jahrhunderts zu vermitteln und eine Verbindung zur Gegenwart zu schaffen», blickte Knill damals zurück. Aus ihrer Sicht ist das gelungen: «Die Art und Weise der inhaltlichen Auseinandersetzung zu den weitreichenden Ereignissen der Konzilsjahre und die Vielfalt der über 90 Thurgauer Konzilsaktivitäten beeindrucken und waren in dieser Form einmalig. Ich glaube, die damalige Bevölkerung wäre dankbar und vielleicht auch ein bisschen stolz, wenn sie wüssten, wie wir 600 Jahre später den einschneidenden Umbruch am Bodensee aufgegriffen haben», so Knill weiter. 

"Es sind bleibende Inhalte geschaffen worden": Regierungsrätin Monika Knill bei der Abschluss-Medienkonferenz zum Konziljubiläum
«Es sind bleibende Inhalte geschaffen worden»: Regierungsrätin Monika Knill bei der Abschluss-Medienkonferenz zum Konziljubiläum. Bild: Mario Gaccioli

 

«Heute trennt uns zwar die Landesgrenze, aber nicht die gegenseitige Verbundenheit.» 

Monika Knill, Regierungsrätin, über das Verhältnis zwischen Thurgau und Konstanz   

Knapp eine Million Franken hat der Kanton in das Konziljubiläum investiert. Der grösste Anteil davon ging an die aufwendige Publikationsreihe «Der Thurgau im späten Mittelalter» von der kürzlich der dritte und letzte Band im Verlag NZZ Libro erschienen ist. Ein besonderes Lob sprach Monika Knill zur Zusammenarbeit mit den Nachbarn in Konstanz aus: «Mit der vertieften Auseinandersetzung dieses geschichtlichen Weltereignisses wurde das Bewusstsein geschärft, welche gemeinsame Geschichte und Vergangenheit der Thurgau und Konstanz haben. Heute trennt uns zwar die Landesgrenze, aber nicht die gegenseitige Verbundenheit», so die Regierungsrätin. 

Die Frage nachdem, was denn von dem Konziljubiläum am Ende bleibt hatte Monika Knill damals auch beantwortet: «Wir wissen heute mehr über die damalige Zeit mit den religiösen und weltlichen Ereignissen und deren Auswirkungen. Wir können uns zudem ein Bild machen, wie die Bevölkerung im Umland Thurgau unter den verschiedenen Einflüssen gelebt und gearbeitet hat.»

Vielleicht ist es aber auch wirklich das, was wir heute aus dem Konzil und seinem Jubiläum wieder und wieder lernen können: Dass ein Miteinander immer besser ist als ein Gegeneinander. Und das man die besten Lösungen im Dialog und nicht im Kampf findet. In nervösen und spalterischen Zeiten wie diesen eine Botschaft, die man nicht oft genug wiederholen kann.

 

Das Programm zum Abschluss des Konziljubiläums

Beginn: Sonntag, 22. Juli, ab 11 Uhr, im Stadtgarten Konstanz

 

Zum Auftakt spielt um 11 Uhr die Südwestdeutsche Philharmonie Konstanz zusammen mit Amateuren aus Konstanz und der Region. Insgesamt 160 Musikerinnen und Musiker bringen unter der Leitung von Markus Huber Antonin Dvořaks 9. Sinfonie „Aus der neuen Welt“ zur Aufführung. Danach schliesst sich ein breites Programm aus Wortakrobatik, Science Slam, Mitmach-Aktionen und vielem mehr an. Details zum Tagesprogramm gibt es hier.

 

Der Thurgau war und ist auch dabei: Vor 600 Jahren spielte der Thurgau eine tragende Rolle bei der Versorgung der Besucherinnen und Besucher des Konstanzer Konzils. Es galt, genügend Nahrung für Mensch und Tier bereitzustellen. Von einfacher Grütze über allgegenwärtige Pasteten bis zu exquisiten Festmahlen des Adels musste alles geboten werden.

 

An der Konstanzer Schlussfeier am Sonntag, 22. Juli 2018, tritt nun Thomas Götz als Thurgauer Hofnarr auf und erzählt auf humorvolle Weise in verschiedenen Akten, was damals auf dem Speiseplan stand. Er kennt natürlich auch ein paar pikante Details und Geschichten rund ums Essen. Gleichzeitig bietet ein Stand Informationen zur Rolle des Thurgaus während des Konstanzer Konzils und zu heutigen Angeboten der Landwirtschaft und des Tourismus.

 

Die zum Jubiläum erschienene, vierbändige Publikation zum Thurgau im späten Mittelalter ist dort ebenfalls erhältlich. Als besonderen Leckerbissen erhalten die Besucherinnen und Besucher ein Büchlein mit Rezepten aus der damaligen Zeit und am Schluss ein «Probiererli».

Der Eintritt zu allen Veranstaltungen (bis auf das Abendkonzert mit der Slam-Poetin Julia Engelmann) ist frei.

 

Weiterlesen: Mehr zum Konziljubiläum auch in unserem Dossier zum Thema

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